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Positionen zur Segensinstallation „BlessU-2“

Selten hat eine Kunstinstallation für so große Aufregung gesorgt wie der Segensroboter „BlessU-2“ auf der Weltausstellung Reformation in Wittenberg – in der Kirche wie in den Medien. Kann ein Roboter segnen? Wie können experimentelle Formen den Glauben ins Gespräch bringen?

Pfarrer Michael Brück und Dr. Christian Ferber, Leiter des Reformationsbüros der EKHN stellen hier ihre Positionen zum Segensroboter „BlessU-2“ vor und regen zum Nachdenken über das Für und Wider einer solchen Installation an. Auch Sie haben die Möglichkeit, Ihre Gedanken, Erfahrungen oder Anregungen zu teilen. Klicken Sie auf den Kommentarlink auf der rechten Seite.

Gedanken zum Segen und Segensroboter

Von Pfarrer Michael Brück

Im Mai und Juni 2017 habe ich drei Wochen bei der LichtKirche und dem Projekt „Moments of Blessing“ der EKHN anlässlich der Weltausstellung der Reformation in der Lutherstadt Wittenberg mitgearbeitet. Zu den verschiedenen Stationen und Installationen gehört der provozierende Segensroboter „Bless U-2“. Hierzu meine persönlichen Beobachtungen und Einschätzungen.

Der Roboter löst in jeden Fall eine Reaktion aus. Er bringt Menschen ins Gespräch, über den Segen, das Leben, den Glauben, die Kirche…

Beeindruckend! Der Roboter ist fast ständig im Einsatz, oft umlagert von Menschen: Einzelpersonen, Kita-Gruppen, Schulklassen, Gruppen mit Konfirmandinnen und Konfirmanden im Rahmen der Konfi-Camps, Bewohnerinnen und Bewohner aus einem benachbarten Seniorenheim, Besuchende des Kirchentags oder der Weltausstellung im Reformationssommer, Passanten zwischen Rathaus und Polizeiwache u.v.a.

Der Roboter wahrt eine gewisse Distanz, auch wenn manche Menschen ihm nachwinken, mit ihm beginnen zu sprechen, sich ehrfurchtsvoll vor ihm verneigen, den Hut oder die Kappe abziehen oder dergleichen. Er löst Gefühle aus, Tränen der Freude und Rührung, als z.B. eine – zunächst zurückhaltende – ältere Dame „zufällig“ ihren Konfirmationsspruch als Segenswort vernimmt.

Es gab sogar Menschen, die mehrmals bzw. regelmäßig kamen, um sich vom Roboter segnen zu lassen…

Viele (immer Kinder und Jugendliche) waren neugierig bis begeistert, wenn ich sie einlud: „Wir haben auf unserem Gelände sogar einen Segensroboter! Habt Ihr nicht mal Lust, Euch den anzuschauen und vielleicht sogar auszuprobieren!“

Manche waren zunächst misstrauisch, aber ließen sich häufig einladen, wenn ich Ihnen erzählte: „Es gibt hier eine total verrückte Sache, einen echten Segensroboter. Ich weiß auch nicht so recht, was ich davon halten soll. Was meinen Sie? Da hinten steht er…“

Die Installation wirkte zuweilen verstörend. „Was, ein Segensroboter?“ Der Kirche und dem Glauben hochverbundene Menschen taten sich nicht selten schwer. Sie wollten lieber von – echten – Menschen gesegnet werden. Manche lehnten den Roboter kategorisch ab wie auch die Menschen, die mit Kirche, Gott, Glaube, Religion usw. nichts zu tun haben wollten.

Der Roboter ist offensichtlich eine besondere Attraktion. Immer wieder erzählten mir Menschen: „Ich bin extra wegen des Roboters hierhergekommen“. Er ist in den Medien präsent und Stadtgespräch. Häufiger hörte ich: „Davon haben wir in der Zeitung gelesen. Er war ja sogar im Fernsehen!“ Manche sind sogar stolz. „Der Roboter – bei uns in Wittenberg. Toll! Mit der LichtKirche haben Sie sich wirklich etwas Besonderes und Schönes einfallen lassen.“

Der Segensroboter fordert heraus, bildet einen Anknüpfungspunkt und regt zu ernsthaften, bisweilen lebhaften Diskussionen an.

Vor allem bei Jugendlichen begegnet mir der spielerische, selbstverständliche, kreative Umgang mit neuen Medien. Sie finden den Roboter einfach cool, genial. Er fasziniert sie und regt an, sich Gedanken zu machen und Fragen zu stellen…

Er ist zwar ein technisches Gerät, eine Maschine, jedoch mit einer menschlichen – weiblichen und männlichen – Stimme versehen. Er spendet Segen in verschiedenen Sprachen. Die Menschen fühlen sich angesprochen. Besonders originell fanden viele die hessische Version. Der Segenspruch kann auf Wunsch ausgedruckt und mitgenommen werden, ist somit eine bleibende Erinnerung und ein kleines Geschenk.

Wie viele, nicht nur ältere und kranke Menschen schauen sich sehr gerne und regelmäßig Gottesdienste im Fernsehen an oder hören Andachten im Radio?! Welcher mediale Unterschied besteht gegenüber dem Roboter?

Skeptische Äußerungen bezogen sich meistens darauf, dass ein Segen von einem Menschen „einfach anders“, persönlicher und deshalb zu bevorzugen ist. Dies haben wir gerne mit verschiedenen, vielfältigen Angeboten zum Themenkomplex „Segen“ aufgenommen: Andachten mit vielen verschiedenen Segenselementen (Lieder, Texte, Gebete, persönlicher Segensgruß, Auslegung, Segensbändchen, Segensworte, aaronitischer Segen), täglich am Mittag (12:00 Uhr) und Abend (18:00 Uhr), auch jeweils am späten Freitagabend von 21:30 bis 22:15 Uhr. Auf dem Segens-Erlebnis-Parcours gab es die Möglichkeit, unter Segensschirmen jeweils einen Segen für eine unbekannte Person selbst zu schreiben und dafür einen Segen geschenkt zu bekommen. Es konnten verschiedene Haltungen und Dimensionen des Segens kennengelernt und ausprobiert werden: Ich bin gesegnet, ich bin selbst ein Segen für meine Mitmenschen, Gott segnet diese Welt. Die helle, freundliche, bunte und ästhetisch ansprechende Lichtkirche lud ein zum Verweilen und Innehalten. Es standen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für seelsorgerliche Gespräche und Einzelsegnungen zur Verfügung. Schließlich gab es in einem Laden zahlreiche Karten und Bücher zum Segen, beispielsweise „Segen! Eine kleine Gebrauchsanleitung“ sowie ein Heft mit Segensliedern und Gebeten.

Der Segensroboter könnte ein konstruktiver Beitrag sein für die Debatte um sog. „künstliche Intelligenz“. Der Roboter als Unterstützungspartner beispielsweise in der Pflege? Angesichts des Personalmangels und schlechten, schwierigen Arbeitsbedingungen im Bereich der Pflege? Ich sehe hier Möglichkeiten und Chancen, jedoch auch Grenzen und Risiken. Was ist der Mensch – wert – für unsere Gesellschaft, für die Kirche?

Roboter und Segen eröffnen angesichts gegenwärtiger gesellschaftspolitischer Dilemmata segensreiche Dimensionen und Perspektiven: „Wo Menschen sich einander im Namen Gottes segnen (1. Petrus 3,9) und den Segen empfangen, geschieht dies im Zeichen des Friedens und ist Versöhnung möglich.“

Es gibt immer weniger Pfarrerinnen und Pfarrer, ganz zu schweigen vom Priestermangel. Dazu meinte ein russischer Fernsehsender: „Im Westen werden die Priester durch einen Roboter ersetzt.“ Das glaube und hoffe ich nicht. Für mich war der Roboter vielmehr eine „reformatorische Entdeckung“: Jede Christin und jeder Christ gehört zum Priestertum aller Getauften bzw. Glaubenden. Ich bin von Gott (persönlich) reich gesegnet und darf ein Segen sein (1. Mose 12,2b; 1. Petrus 2,9). Dies gilt es wieder neu als einen kostbaren Schatz zu entdecken! Selbst durch einen Segensroboter kann Gott ermutigen, stärken, trösten, kräftigen, vergewissern.

Segen und Technik, Spiritualität und digitale Intelligenz

Ein theologischer Impuls zur provokativen Installation des Segensroboters BlessU-2 von Dr. Christian Ferber, Leiter des Reformationsbüros der EKHN

Die folgenden Anmerkungen dienen einer ersten theologischen Orientierung all jener Fragen und Probleme, die sich ergeben, wenn zwei so unterschiedliche Felder wie der in Kirchen gespendete Segen und die unseren Alltag zunehmend beherrschende Welt des Technischen aufeinanderprallen. Dies geschieht in der provokanten Installation des ´Segensroboters BlessU-2`. Gehen Segen und Robotertechnik theologisch zusammen; Spiritualität und digitale Intelligenz? Oder finden wir hier zwei einander wechselseitig ausschließende Sachbereiche des Lebens vor uns? Die folgenden Gedanken sollen in die sich daraus ergebenden theologischen Fragen und Problemstellungen hineinführen. Sie wollen Impulse und Anregungen geben, die aber notwendigerweise nicht mehr als einen Anfang darstellen, dem eine intensive inhaltliche Auseinandersetzung und Weiterführung folgen muss.

Zwischenmenschlichkeit und die materielle Vermittlung von Segen

Der in Kirchen in Gottesdiensten, bei Andachten oder anderen geistlichen Zusammenkünften gespendete Segen ist in der Regel ein interpersonales Geschehen. Der Segnende und die Gesegneten - das ist die Grundform, in der Segenshandeln in der Regel vollzogen wird. So zentral das Moment der sich damit einstellenden Zwischenmenschlichkeit sein mag, so schnell wird klar, dass damit aber nicht alle Formen möglichen Segens erfasst sind. Die gemeinsame Bitte aller Feiernden um Gottes Segen am Ende einer Andacht, in der es keinen aktiven Segnenden gibt, variiert schon die Grundform. Haussegen auf Tafeln an der Hauswand, ausgeteilte Segenskärtchen am Ende eines Gottesdienstes, zeitversetzte Radio-, Fernseh- und Internetgottesdienste - sie alle durchbrechen das Schema der direkten Zwischenmenschlichkeit bei der Segensspende noch deutlicher. Und damit stellt sich die Frage: Gibt es theologisch bestimmte Voraussetzungen, die für eine erfolgreiche Segenshandlung erfüllt sein müssen?

Nach biblischem Befund und nach protestantischem Verständnis kann die geistliche Wirksamkeit von Handlungen nicht an bestimmte, fest kodierte äußere Bedingungen gleichsam objektiv oder magisch gebunden werden. Denn das Wirken von Segen hängt zunächst nicht von äußeren Bedingungen ab - sei es die Zwischenmenschlichkeit in gottesdienstlichen Vollzügen oder die Materialität von Haustafeln, die Virtualität von Radio-, Fernseh- oder Internetübertragungen - sondern von Gott selbst als dem eigentlich im Segen Handelnden. Ob in der interpersonalen, schriftlichen oder virtuellen Vermitteltheit des Segens - letztlich bedient sich Gott der von ihm geschaffenen Wirklichkeit, um seine Präsenz und Wirksamkeit im Segensvollzug sicherzustellen.

Es ließe sich also folgern, dass auch eine technische Vorrichtung wie ein Roboter einen Segen zusprechen kann, insofern Gott sich eines kulturtechnischen Geräts zur Sicherstellung seiner eigenen Präsenz im Segen bedienen könnte. Wenn davon ausgegangen wird, dass die natürlichen und kulturellen Weiterentwicklungen  Ausdruck der in der Schöpfung angelegten Entfaltungspotenz  sind, gibt es auch im Bereich technischer Fortentwicklung - wie der Robotik - schlechthin keinen Ort, wo Gott sich nicht Präsenz und Geltung verschaffen könnte.

Technisches System und menschliche Empfänglichkeit
Dennoch bleibt bei der Segnung durch einen Roboter ein deutliches Unbehagen. Nicht umsonst wird im allgemeinen Sprachgebrauch gelegentlich von ´seelenloser Technik` gesprochen. Die Frage der materiellen Vermittlung von Segen zielt genau in dieses Unbehagen hinein. Denn der Segen an einer Hauswand wurde von einem Menschen für andere Menschen dort angebracht. Bei aller Virtualität von Radio-, Fernseh- und Internetgottesdiensten bleibt dennoch richtig, dass sie von Menschen für Menschen gemacht wurden. Insofern bleibt das Moment der indirekten, aber doch zwischenmenschlichen Vermittlung von Segen erhalten. Nun könnte auch der Roboter als ein solches Medium der indirekten, zwischenmenschlichen Segensvermittlung verstanden werden: Er wurde von Menschen programmiert, um Segen für andere Menschen zu spenden. Dieses Analogie zwischen unterschiedlichen materiellen und damit letztlich passiven Medien der Segensvermittlung  bricht aber zunehmend, wenn die Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz in der Robotik ein Ausmaß erreicht, wo Roboter selbstständig im Sinne von lernender Intelligenz werden. Ist der Roboter, der zunehmend selbst denkt, dann aber nur noch ein rein passives Medium der Segensvermittlung? Macht die zunehmend erreichte technische Selbständigkeit der Robotik diese noch zu einem geeigneten Ort von Segenshandlungen, die notwendigerweise auf die Durchlässigkeit ihrer Medien angewiesen sind, wenn Gott in ihnen wirksam werden soll? Hier scheint sich ein grundlegender Unterschied zwischen menschenvermitteltem Segnen - ob direkt oder indirekt - und einem durch Roboter initiierten Segnen anzudeuten. Denn der Mensch ist sowohl in seiner körperlichen, seelischen wie geistigen Konstitution auf kreatürliche Weise empfänglich. Der Roboter verarbeitet Außenreize hingegen auf technisch-systemische Weise. Darum ließe sich fragen: Sind die menschliche kreatürliche Empfänglichkeit und die technische Systemik des Roboters gleichermaßen dem segnenden Handeln Gottes zugänglich? Und noch weiter gefaßt: Kann eine  künstliche Intelligenz, die in sich und aus sich selbst heraus technisch selbsttätig wird, überhaupt mit spirituellen Vollzügen vereinbart werden?

Digitale Intelligenz und menschlicher Geist
Die Antwort auf diese Frage wird letztlich davon abhängen, inwiefern wir künstliche Intelligenz in ihrer kreativen Selbsttätigkeit in Analogie oder Differenz zu geistigen bzw. spirituellen Prozessen des Menschen verstehen. Ist, so ließe sich fragen, der mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Roboter der ´kulturtechnische Mensch 2.0`? Tatsächlich führt diese Frage tief in das Selbstverständnis vom Menschen hinein.

In religiöser Perspektive wird man dabei zunächst festhalten müssen, dass wesentliche Vollzüge des Menschseins wie Forschungsneugier, Liebesfähigkeit, künstlerische Kreativität, spirituelle Vollzüge wie Segnen oder Meditation Formen der Selbsttranszendenz des Menschen darstellen, die ihrerseits auf seinem Wissen um die eigene Endlichkeit fußen.[1] Insofern ist die endliche Kreatürlichkeit des Menschen die wesentliche Voraussetzung für seine religiösen Vollzüge. Anders gewendet: Der Mensch, der sich seiner Endlichkeit bewusst ist, ist potenziell auch für die Offenbarung seines Schöpfers geöffnet.

Aus heutiger Sicht sind auch Künstliche Intelligenzen in der Lage, auf technischer Basis zunehmend selbsttätig und kreativ auf Anforderungen aus ihrer Umwelt zu reagieren. Wie weit diese Entwicklungen reichen - etwa zu einem technisch erzeugtem Selbstbewusstsein oder zu Formen denkerischer Selbstbezogenheit  - wird die Forschung zeigen. Prinzipiell aber handelt es sich dabei immer um ´Nachahmungsphänomene` auf technischer Basis. Inwiefern diese Formen der Eigentätigkeit sich zugleich einer echten Selbsttranszendenz öffnen, die wir heute im wesentlichen als ein Proprium der menschlichen Kreatürlichkeit verstehen, bleibt fraglich.

Klar aber ist, dass sich der Roboter als ´kulturtechnischer Mensch 2.0` nur den kreativen Forschungsprozessen des natürlichen Menschen verdankt. Insofern bringt er auf eindrückliche Weise die menschliche Leistungsfähigkeit zur Geltung, die in der theologischen Tradition nicht selten mit dem Gedanken von der Gottebenbildlichkeit des Menschen verbunden wurde.

Aus all diesen Überlegungen ergeben sich grundlegende Fragen:
Ist die Künstliche Intelligenz nur eine technische Erweiterung der Grundbeziehung von Gott und Mensch, die in seiner Gottebenbildlichkeit gründet? Oder eröffnet sie aus ihrer Eigenheit heraus ein völlig neues Selbstverständnis von Mensch, Natur und Religion? Und schließlich: Welcher Art von Moral und Ethik kann oder hat sich künstliche Intelligenz einzuordnen? Die Antwort hierauf wird nicht abschließend gegeben werden können.

Klar aber ist, dass aufgrund der engen Bezogenheit und Differenz von künstlicher Intelligenz und menschlichem Geist immer wieder neu auch in Kirche und Theologie darüber nachgedacht werden muss, wie sie zu diesem innovativen Prozess Stellung beziehen will.

 

 

[1] Vgl. Kunz, Stefan: Transzendenz und Selbsttranszendenz - Grenzen zwischen Mensch und Roboter aus theologisch-philosophischer Sicht, in: Marburger Theologische Studien. Künstliche Intelligenz und menschliche Person, N.G. Elwert Verlag Marburg, Marburg 2006, S. 219-231.

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